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Laura Egger

Im Bilde sein, 2025
EPR/PUR-Kabel, 80 × 900 × 860 cm

Im Atrium des Volkarthauses zieht sich ein leuchtend oranger Leitungsstrang entlang des Geländers der umlaufenden Galerie. Seine Enden formen sich zu den Worten WELT und BILD, stellt sie einander gegenüber und miteinander in Verbindung zu WELT-BILD und BILD-WELT. Es stellt sich die Frage nach Bedeutung, Zusammenhang und Kontextualisierung der beiden Begriffe.

«Was ist das – ein Weltbild? Offenbar ein Bild von der Welt. Aber was heisst hier Welt? Was meint da Bild?» fragt Martin Heidegger 1938 in seinem Vortrag ,Zeit des Weltbildes’. Und weiter: «Wir meinen damit die Welt selbst, sie, das Seiende im Ganzen, so wie es für uns massgebend und verbindlich ist. Bild meint hier nicht einen Abklatsch, sondern jenes, was in der Redewendung herausklingt: wir sind über etwas im Bilde. […] Weltbild, wesentlich verstanden, meint daher nicht ein Bild von der Welt, sondern die Welt als Bild begriffen.»[1]

Weltbilder entstehen aus Weltanschauungen, und Bilder spielen dabei als zentrales Medium der Welterfahrung und des Erkenntnisprozesses eine entscheidende Rolle. Weltanschauungen beruhen auf Bildhaftigkeit und manifestieren sich in ihr. Das Bild kann sowohl Zugang zur Welt eröffnen als auch Distanz zu ihr schaffen. Die zentrale Frage lautet daher: «Sehen wir die Welt – oder nur ihr Bild?»

Die Schriftinstallation IM BILDE SEIN verweist auf die Geschichte und Gegenwart des Hauses Volkart: Auf das koloniale Weltbild, das sich bis heute im Dekor des ehemaligen Verwaltungssitzes der 1851 gegründeten Rohstoffhandelsgesellschaft Gebrüder Volkart bildhaft manifestiert. Ganz besonders zeigt es sich im hölzernen Globus mit seiner imperialen Kartografie. Und auf die 1951 gegründete Volkart Stiftung, die aus den unternehmerischen Tätigkeiten hervorging und sich heute der Förderung von Medienvielfalt und Bildkompetenz als Basis für Meinungsbildung und demokratischen Diskurs verpflichtet.

Die montierten Kabel verweisen symbolisch auf die verborgene Materialität digitaler Bilder und auf die unsichtbare Infrastruktur interkontinentaler Verbindungen. Was im Alltag oft immateriell erscheint – Datenströme, Kommunikation, Bilder – beruht in Wirklichkeit auf hochkomplexen materiellen Grundlagen: Rohstoffe wie Kupfer, Lithium und seltene Erden, die in globalen Netzwerken verarbeitet und transportiert werden.

Damit stehen die Leitungen nicht nur für technische Leistungsfähigkeit, sondern zugleich für die geopolitischen Spannungen, die mit der Gewinnung und Verteilung dieser Ressourcen verbunden sind. Die symbolische Dimension verweist auf gegenwärtige Formen des Neokolonialismus: Regionen des globalen Südens liefern die benötigten Rohstoffe, während die Zentren des globalen Nordens von den daraus entstehenden technologischen und ökonomischen Vorteilen profitieren.

So werden die Kabel zu einem Sinnbild für die Ambivalenz digitaler Welten: Sie ermöglichen globale Vernetzung und Wissenszirkulation, machen jedoch zugleich Abhängigkeiten und Ungleichheiten des digitalen Fortschritts deutlich.

[1] Martin Heidegger: Die Zeit des Weltbildes (1938). In: Gesamtausgabe. Bd. 5: Holzwege. Frankfurt (Main): Klostermann, 1977, S. 87-88

Kurzbio

Laura Egger lebt und arbeitet als Fotografin, Architektin, Künstlerin und Kuratorin in Zürich. Ihr zentrales Interesse gilt materiellen und immateriellen Räumen sowie deren Aneignung und Transformation durch Individuum und Gesellschaft. So liegen ihre Schwerpunkte auf beobachtender Fotografie, kontextuellem Architekturentwurf und ortsspezifischer Installation.

Ihre Ausbildung absolvierte sie in München und Venedig: Sie lernte Fotografie bei Wilfried Petzi, studierte Architektur an der TU München und der IUAV Venedig und vertiefte ihre Kenntnisse in Kunstgeschichte mit einem Schwerpunkt auf Theorie und Geschichte der Fotografie an der Universität Zürich.

Ihre künstlerische Praxis umfasst Fotografie, Video und Installation. 2024 präsentierte sie ihre Arbeiten in den Gruppenausstellungen Pulse of Techno in Zürich (CH), Nuove Normalità – Spazi, Architettura, Persone in Schio, Rom und Favara (I), Hyper Regionalità in Lecce (I) sowie TAB24 in Tallinn (EST).

Als Kuratorin verantwortete sie 2024 die Zürcher Umsetzung der Ausstellung Techno Worlds des Goethe-Instituts in der Photobastei. Darüber hinaus konzipierte sie Ausstellungsprojekte für das Kollektiv Les Belles de Nuit, für die Biberach School of Architecture sowie Beiträge zur Tallinn Architecture Biennale.

Sie ist Mitglied des Teams der Galerie und Edition Stephan Witschi in Zürich und Mitbegründerin des 2025 eröffneten Off-Spaces hotti.club.

Sie unterrichtet theoretische und praktische Themen der Fotografie und der Architektur an verschiedenen Kunst- und Architekturfakultäten, darunter CAFA Beijing, Hochschule Konstanz, Biberach School of Architecture, ZHAW Winterthur und F+F Zürich.

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